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Danke & auf Wiedersehen, Pfarrer Böhme
Mit einem Festgottesdienst wurde am Sonntag, den 16. Juni 2024, das 89. Weihejubiläum der Pfarrkirche Heilige Familie Zwickau begangen. Anschließend gab es viele Möglichkeiten zur Begegnung.
In diesem Rahmen wurde unser Pfarrer Markus Böhme verabschiedet.
Am 01. April 2014 wurde er Pfarrer der damals selbstständigen Gemeinde Heilige Familie Zwickau. Nach und nach übertrug ihm der Bischof die Verantwortung für weitere Pfarreien. Seit der Pfarreineugründung im September 2020 war er Leitender Pfarrer der Großpfarrei Heilige Familie.
In seiner Predigt vom Kirchweihgottesdienst betonte er, dass jeder von uns Kirche ist. Deshalb muss auch jeder bei sich zuerst anfangen.
Hier die Predigt im Wortlaut:
Liebe Schwestern und Brüder,
es ist schön, eine Kirche zu haben.
Es ist schön, unsere Pfarrkirche Heilige Familie zu haben, die Kirche, mit der ich am längsten verbunden bin, seit ich 2014 meinen Dienst hier in Zwickau begonnen habe.
Das Kirchweihfest, das wir heute begehen, ist eine gute Gelegenheit, um unsere Freude und unseren Dank über dieses Gotteshaus auszudrücken.
Zugleich möchte ich dies zum Anlass nehmen, um einmal darüber nachzudenken, was Kirche in ihrem Wesen ausmacht.
Denn Kirche ist ja eben nicht nur das Gebäude, das wir so nennen.
Kirche – das sind wir alle als getaufte Christen.
Dabei ist freilich immer die Orientierung an Jesus Christus notwendig.
Denn wir sind seine Kirche.
Er ist Zentrum und Mitte unseres Glaubens.
In der heutigen Lesung aus dem ersten Petrusbrief wird die Kirche als ein Haus aus lebendigen Steinen beschrieben.
Wo Christen bereit sind, an diesem Haus mitzubauen und sich dabei mit ihren Begabungen und Fähigkeiten einzubringen, da wird Kirche lebendig.
Genau das durfte ich hier auch erleben.
Heute wird viel kritisiert und natürlich gibt es manches, was kritikwürdig ist.
Doch allein durch Kritik und leider auch oft durch Polemik wird sich nichts ändern.
Weil jeder von uns Kirche ist, muss jeder zuerst bei sich selbst beginnen.
Ein Gebet aus China bringt das auf den Punkt:
„Herr, erwecke deine Kirche und fange bei mir an.
Herr, baue deine Gemeinde und fange bei mir an.
Herr, lass Frieden überall auf Erden kommen und fange bei mir an.
Herr bringe deine Liebe und Wahrheit zu allen Menschen und fange bei mir an.“
Ein wunderbares Gebet, das jeder von uns am besten täglich beten sollte.
Heute darf ich dankbar auf reichlich zehn Jahre Dienst – zunächst nur in Zwickau und dann in der ganzen Region – zurückblicken.
Anfänglich war es ja nur diese eine Gemeinde, für die ich als Pfarrer zuständig war.
Nach zwei Jahren kam St. Franziskus in Zwickau-Planitz dazu, weil nach dem Weggang von Pfarrer Mandler diese Stelle nicht mehr neu besetzt wurde.
Als im August 2019 P. Welscher Zwickau verließ wurde mir auch die Verantwortung für die Pfarreien St. Johann Nepomuk Zwickau und Maria Königin des Friedens Kirchberg übertragen.
Nun Pfarrer von vier eigenständigen Gemeinden zu sein, war ziemlich anstrengend.
Hinzu kam, dass die neuen Oblaten-Patres, eine rein polnischen Kommunität, oft auch ganz andere Akzentsetzungen und Vorstellungen von Seelsorge hatten.
Zudem wurde die Arbeit durch bereits seit Jahrzehnten gehegte Abneigungen der einen Gemeinde gegenüber der anderen und durch persönliche Befindlichkeiten erschwert.
Ursprünglich sollte ja aus diesen vier Gemeinden eine neue Pfarrei gegründet werden.
Allerdings entschied der Bischof dann doch anders.
Aus den zehn Gemeinden der Region wurde am 27. September 2020 die neue Pfarrei Heilige Familie Zwickau gegründet.
Die Corona-Pandemie machte einer großen Gründungsfeier mit dem Bischof einen Strich durch die Rechnung.
Diese zehn Jahre waren gefüllt mit den vielfältigsten Aufgaben.
Im ersten Jahr war ich zusätzlich Dekanatsjugendseelsorger.
Seit knapp sieben Jahren bin ich Dekan des Dekanates Zwickau, natürlich – wie es im Kirchendeutsch heißt – „unter Beibehaltung der bisherigen Aufgaben“.
Viele schöne Gottesdienste und manches Fest haben wir gemeinsam gefeiert.
Ich durfte in diesen zehn Jahren 76 Kinder und sieben Erwachsene durch das Sakrament der Taufe in die katholische Kirche aufnehmen.
Knapp 120 Kinder habe ich auf Erstkommunion vorbereitet.
Ebenso konnte ich die ersten beiden Firmkurse 2015 und 2018 mit begleiten.
16 Paare durfte ich trauen und auf diesen Tag vorbereiten.
577 Mal habe ich alten und kranken Menschen die Krankenkommunion gespendet, 90 Mal das Sakrament der Krankensalbung.
Und es waren 177 Menschen, die ich zu Grabe tragen musste.
Immer wieder kamen Christen zum Beichtgespräch, mehrere durfte ich regelmäßig geistlich begleiten – eine wunderschöne Aufgabe.
Ich blicke zurück auf unzählige schöne und frohmachende Begegnungen.
Ja, ich habe hier nicht nur Gemeindemitglieder „betreut“, sondern auch Freunde gefunden.
Ich durfte viele wohlwollende Menschen erleben, die mir ihre Türen und ihr Herz geöffnet haben, die aber auch – sachlich – Kritik anbrachten, wenn dies nötig war.
Das macht mich unendlich dankbar.
Für die wohltuende ökumenische Zusammenarbeit – besonders hier in der Stadt Zwickau – danke ich von Herzen.
Höhepunkt war jedes Jahr der Ökumenische Gottesdienst zum Stadtfest auf dem Hauptmarkt.
Aber auch zu anderen Gelegenheiten gab es gemeinsame Veranstaltungen.
Ich habe meine Kollegen in der Ökumene kennen und sehr schätzen gelernt.
Schön, dass Superintendent Harald Pepel und Pfr. Kay Lohse heute hier sind.
Auch zum Rathaus bestand immer eine gute Verbindung, erst mit Oberbürgermeisterin Dr. Pia Findeis, später mit Oberbürgermeisterin Constance Arndt.
Der Besuch der Sternsinger war jedes Jahr gesetzt und zum Neujahrsempfang wurde ich ebenfalls immer eingeladen.
Pfarrergespräche mit der OB zwei Mal im Jahr hatte ich so an noch keiner Stelle erlebt.
Dies zeigt die Wertschätzung der Stadt gegenüber den christlichen Kirchen.
Vieles konnte ich hier mit anschieben und begleiten.
Ich denke an den Umbau des Beichtstuhls in einen Beichtraum ganz zu Beginn, den Bau der Garage, wo früher ein Carport stand, die Renovierung unserer Pfarrkirche 2015 und später der Einbau von neuen Bänken.
Ein großes Projekt, bei dem ich selbst in unzähligen Stunden meine handwerklichen Fähigkeiten einbringen konnte, war der Ausbau des Dachgeschosses im Pfarrhaus.
Als ich hier begonnen habe, gab es zwar mehrere Zimmer, aber keine abgeschlossene Wohnung für den Pfarrer.
Deshalb habe ich 2019 damit begonnen, den Boden zu entrümpeln und in ein schönes und helles Wohnzimmer umzubauen.
Mehrere Gemeindemitglieder haben tatkräftig mit angepackt.
Aus dem Gästezimmer, das so gut wie nie genutzt wurde, entstand die Küche.
Anfang 2020 bin ich nach oben gezogen und hatte nun nach sechs Jahren endlich auch eine abgeschlossene Wohnung.
Mein ehemaliges Wohnzimmer ist seither ein schöner großer Besprechungsraum.
Ich denke an die jährliche Nacht der Versöhnung, die 2016 erstmals als Nacht der Barmherzigkeit gefeiert wurde und auf viel positive Resonanz traf.
Und ich habe die Gedenkfeier für die Verstorbenen jedes Jahr im November im Blick, gemeinsam mit unserem ökumenischen Hospizdienst ELISA.
Auch viele Nicht-Christen nahmen dieses Angebot gern an.
Der Glaubenskurs, der inzwischen zwei Mal stattfand, war für mich ein Highlight.
Manchmal kamen weit über 20 Leute, weil sie neue Impulse für ihren Glauben wollten.
Es war schön, miteinander über Glaubensfragen ins Gespräch zu kommen.
Aber auch das Miteinander mit Bewohnern und Mitarbeitern im Caritas-Altenpflegeheim St. Barbara war für mich sehr bereichernd.
Schnell konnte ich nach nebenan gehen, wenn jemand krank war oder im Sterben lag.
Jeden Mittwoch feierten wir Gottesdienst, bei dem ich mich selbst ans Klavier gesetzt und Lieder begleitet habe, zwei Mal in der Woche war ich zum Mittagessen da.
Manches Fest habe ich miterlebt und viele gute Gespräche geführt.
Wenn ich ins Heim kam, dann fühlte ich mich nicht als Gast.
Ich gehörte zehn Jahre wirklich mit zur St. Barbara-Familie.
Dafür gilt allen ein großes DANKESCHÖN.
Ebenso dankbar darf ich auf den vertrauten Kontakt mit unserem Regionalsender TV Westsachsen zurückblicken.
Als zu Ostern 2020 aufgrund der Corona-Pandemie unsere Kirchen für mehrere Wochen geschlossen bleiben mussten, sagte mir Mandy Wutzler sofort zu, den Ostergottesdienst zu übertragen, ebenso später den Gottesdienst zur Pfarrei-Neugründung.
Und einige weitere Beiträge wurden gemacht, weil es das große Interesse gab, dass Kirche auch in der Öffentlichkeit vorkommen solle. DANKE dafür.
Mit Beginn der Pandemie habe ich begonnen, Videoimpulse an Sonntagen und besonderen Festen zu erstellen, ebenso Betrachtungen zum Kreuzweg oder musikalische Beiträge mit Orgel, Klavier und Gitarre.
Ich bin mir sicher: Jesus, der seinen Jüngern aufgetragen hatte, die Frohe Botschaft in der ganzen Welt zu verkünden, würde heute auch die modernen Medien nutzen.
Die Auswertung allerdings erstaunt mich doch ziemlich:
Auf meinen YouTube-Kanal, auf dem inzwischen 353 Videos zu finden sind, gab es bislang knapp 120.000 Aufrufe.
Die Wiedergabezeit der einzelnen Beiträge liegt bei 3.345 Stunden.
Derzeit haben 423 Menschen diesen Kanal abonniert.
In 16 Ländern wurde bisher auf meine Beiträge zugegriffen.
Ich habe mich sehr gefreut, als ich 2019 mein erstes eigenes Buch mit kurzen Impulsen zu den Sonntagen und besonderen Festen in den Händen halten konnte.
Natürlich gab es auch weniger schöne Ereignisse, z.B. die Corona-Pandemie mit ihren Beschränkungen und Vorgaben, ebenso die Profanierung der Kirchen in Mülsen und Waldenburg.
Es lässt einen nicht kalt, wenn man ein Gotteshaus aufgeben muss.
Und ich denke an die Schließung des Zwickauer Oblaten-Klosters vor zwei Jahren, an den Tod von Pfarrer i.R. Erich Witte, aber auch an die Reduzierung von ehemals zehn Priestern auf derzeit drei mit entsprechender Mehrbelastung.
Ich danke besonders meinen Mitbrüdern und unserer Gemeindereferentin für die geleistete Arbeit, für manches aufbauende Wort und für das Miteinander, auch wenn wir nicht immer der gleichen Meinung waren. Auch den Mitarbeiterinnen im Pfarrbüro gilt mein Dank.
Es gab auch jene in der Großpfarrei, die mich enorm herausgefordert haben.
Natürlich gefällt es nicht allen, wenn gewohnte Gottesdienstzeiten geändert werden müssen und wenn nicht mehr alles so möglich ist, wie mit einem eigenen Pfarrer vor Ort.
Hier habe ich von einigen grundlegendes Misstrauen und Ablehnung erfahren.
Auch vor Verleumdung sind manche nicht zurückgeschreckt.
Es waren Gott sei Dank nur wenige.
Schon oft kam mir die Überlegung, welche Fragen mir denn Gott einmal stellen wird, wenn meine Zeit auf dieser Erde abgelaufen ist.
Ich glaube nicht, dass er mich dann fragt:
• Hast Du zur Pfarrkirche oder zur „Muttergemeinde“ gehört?
• Hast Du die Gottesdienstzeiten so gelegt, dass jeder ausschlafen konnte und nie zu spät zum Essen kam?
• Hast du alte Kirchenlieder bevorzugt oder lieber moderne Lieder gesungen?
• Waren dir Faschingsfeiern und andere Feste ein wichtiges Anliegen?
• Hast Du stets versucht, allen alles recht zu machen?
Ich bin der Überzeugung, seine Fragen werden wohl eher lauten:
• Stand ich, Gott, bei dir tatsächlich immer an erster Stelle?
• Hast Du die regelmäßige Begegnung mit mir gesucht?
• Hast Du meine frohe Botschaft mutig den Menschen verkündet?
• Warst du zu wirklicher Umkehr bereit?
• War dein Reden und Handeln von Liebe getragen?
Zugegeben, diese Fragen sind Spekulation.
Dennoch sehe ich darin ein Korrektiv für mein eigenes Reden und Handeln.
Mir ist natürlich klar: Mein Dienst hier war nicht ohne Fehler.
Denn auch als Pfarrer bleibe ich ein Mensch.
Weil mein Blick aber stets der Gesamtpfarrei galt, konnte ich nicht immer Einzelinteressen berücksichtigen.
Es mussten verschiedene Entscheidungen eben auch so getroffen werden, wie ich sie letztlich getroffen habe.
Nicht jeder konnte oder wollte das verstehen.
Aber das gehört nun mal zur Last der Leitung einer solchen Großpfarrei.
Wenn ich dabei jemanden persönlich verletzt habe, bitte ich aufrichtig um Vergebung.
Auch mein Nachfolger kann mit den beiden Mitbrüdern, nicht das leisten, was früher zehn Priester gemacht haben und was sich viele zurückwünschen.
Aber seine Aufgabe ist ja klar im Ernennungsdekret formuliert.
Da heißt es, „ausgehend von der Feier der Eucharistie, der Quelle und dem Gipfel jeder christlichen Gemeinschaft“ soll er „die Frohe Botschaft durch Wort und Tat“ verkünden.
Hier ist auf den Punkt gebracht, was das Wesentliche am priesterlichen Dienst ist.
Liebe Schwestern und Brüder, das heutige Kirchweihfest und der Rückblick auf über zehn Jahre meines Dienstes hier in Zwickau und in der Region sind von großer Dankbarkeit geprägt.
Zugleich wird deutlich, dass wir uns immer wieder neu an unseren ureigensten christlichen Auftrag erinnern lassen müssen.
Denn wir brauchen heute mehr denn je eine Kirche, in der Christus im Mittelpunkt steht.
Wir brauchen eine Kirche, die nicht die Vergangenheit verklärt, sondern hier und heute – in einer völlig anderen Situation als vor zehn Jahren – begeistert von der Frohen Botschaft Jesu Zeugnis gibt.
Papst Franziskus benennt klar, worauf es ankommt. Er schreibt:
„Mir ist eine verbeulte Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, lieber als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an die eigenen Sicherheiten klammert, krank ist. Ich will keine Kirche, die darum besorgt ist, der Mittelpunkt zu sein, und schließlich in einer Anhäufung von fixen Ideen und Streitigkeiten verstrickt ist.“
Uns sollte klar sein, dass wir hier noch ziemlich an uns arbeiten müssen.
Wenn wir uns ins Bewusstsein rufen, was Kirche wirklich ist, und wenn wir darauf vertrauen, dass Jesus Christus mit uns unterwegs ist, dann wird der Weg in die Zukunft ein guter Weg sein.
Damit dies gelingt, sollte aber jeder immer wieder beten:
„Herr, erwecke und erneuere deine Kirche und fange bei mir an.“